Branchentag Avenergy/Strasseschweiz
Gleich lange Spiesse für Strasse und Schiene
27. Oktober 2021 agvs-upsa.ch – Die Elektromobilität verändert nicht nur unser Strassenbild, sondern auch dessen Finanzierung. Bereits mittelfristig wird die Mineralölsteuer zur Finanzierung der Strassenverkehrsinfrastruktur in der Schweiz nicht mehr ausreichen. Wie ein neues System aussehen soll, war Thema am gemeinsamen Branchenanlass von Avenergy Suisse und Strasseschweiz.
kro. 5,1 Milliarden Franken: Das ist die Zahl, um die es geht, wenn über ein neues Finanzierungsmodell für die Schweizer Strasseninfrastruktur gesprochen wird. Die Diskussion ist deshalb nötig, weil das bisherige System mit der Finanzierung via Treibstoffzölle ein Auslaufmodell ist. Die Kosten für Ausbau und Erneuerung der Strasseninfrastruktur werden aufgrund des anhaltenden Bevölkerungswachstums weiter zunehmen. Gleichzeitig werden die Einnahmen aufgrund der Entwicklung in der Elektromobilität abnehmen. Diese Schere öffnet sich bereits heute. Das lässt sich auch daraus ersehen, dass die Reserven im Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) sukzessive zurückgehen und im Verlaufe der nächsten Jahre praktisch aufgebraucht sein werden.
Die Finanzströme des Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF): Die Rechnung geht schon dieses Jahr nicht mehr auf. (Quelle: Astra)
Klare Leitplanke: Kostenwahrheit
Wie der Weg hin zu einem neuen System aussehen könnte, war Thema am gemeinsamen Branchentag von Avenergy Suisse und Strasseschweiz vom Mittwoch. 26. Oktober, in Zürich. Sowohl von Strassenverbänden als auch von bürgerlichen Politikern wurden dabei klare Leitplanken gesetzt. Allen voran: Es darf kein System geben, das nicht auf einer fairen Kostenwahrheit aller Verkehrsträger basiert. Würde man dieses Prinzip schon heute anwenden, sähe die Bilanz des motorisierten Individualverkehrs (MIV) unverändert aus, jene des öffentlichen Verkehrs (Schiene, Tram und Bus) jedoch verheerend. In Zahlen: Inklusive aller effektiven Kosten – also auch externe Schäden wie Umwelt, Lärm und Unfälle sowie die Beiträge der öffentlichen Hand (Subventionen) – kostet das Auto heute 7,3 Rappen pro Kilometer, der Luftverkehr 2,5 Rappen, der Schienenverkehr 24,5 Rappen und Tram und Bus 50,1 Rappen. Das zeigte Reiner Eichenberger von der Universität Fribourg am Branchentag eindrücklich auf. Er bezeichnet die heutige Verkehrspolitik deshalb schlicht und einfach als «krank». Am Beispiel des von der Politik geförderten Veloverkehrs lasse sich das sehr gut illustrieren: Die internalisierten Kosten (inkl. Umwelt und Unfälle) eines fleischessenden Velofahrers seien höher als jene eines mit vier Personen besetzten Kleinwagens.
Kern der Diskussion, so Eichenberger, müsse in Zukunft die Kostenwahrheit sein. Damit verbunden sei auch, dass das System der Subventionen in Frage gestellt werde, weil es den Wettbewerb verzerrt. Heute bezahlt der Strassenverkehr seine Kosten im Gegensatz zum öV zu einem Grossteil selbst. Gleichzeitig finanziert er aus der Mineralölsteuer via Spezialfinanzierung Strassenverkehr (SFSV) auch einen beträchtlichen Teil des öffentlichen Verkehrs, z.B. den Bahninfrastrukturfonds oder die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene mit gegen 400 Millionen Franken. Mit anderen Worten: Das, was die Autofahrer insgesamt bezahlen, kommt nicht vollumfänglich der Strasse zugute.
Das Bundesamt für Strassen (Astra) hat vom Bundesrat den Auftrag erhalten, bereits bis Ende des laufenden Jahres ein Aussprachepapier für eine neue Finanz- bzw. Einnahmenarchitektur für die Strassenfinanzierung vorzulegen, in dem es Ansätze aufzeigen muss, wie das System der heutigen Finanzierung über die Treibstoffzölle ersetzt werden kann. Und da man das Kilowatt im Gegensatz zum Liter nicht besteuern kann, wird die neue Finanzarchitektur laut Christian Kellerhals, Abteilungsleiter Steuern und Finanzen beim Astra, auf eine kilometerabhängige Abgabe hinauslaufen.
Ungerechtigkeit nicht weiter zementieren
Und hier setzen nun Avenergy, Strasseschweiz und zahlreiche bürgerliche Politiker ein. Für sie ist klar: Ein System, das die heutige Ungerechtigkeit zwischen MIV und öV zementiert, kommt nicht in Frage, genauso wenig wie ein System, das darauf hinausläuft, als Lenkungsinstrument den motorisierten Individualverkehr einzudämmen oder gar zu verhindern. Es gelte grundsätzlich zu vermeiden, dass Instrumente wie Mobility Pricing oder gar Road Pricing die heutige Wahlfreiheit des Transportmittels einschränken, stellte Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes, klar. Schliesslich würden heute 80 Prozent der Güter über die Strasse ausgeliefert. Ausserdem müsse ein künftiges System kostenneutral eingeführt werden, heisst: «Es kann kein neues System eingeführt werden, das Bürgerinnen und Bürgern zusätzliche Kosten verursacht», so Bigler. Eine Gleichbehandlung aller Verkehrsträger sei zwingend. Verbunden damit ist, dass die von Politik und dem öffentlichen Verkehr selbst hochgehaltene Unantastbarkeit des öV beendet wird. Das einzige vertretbare Argument für Subventionen sei, wenn es darum gehe, eine Gleichbehandlung herzustellen. Faktisch finde im heutigen Finanzierungsmodell aber exakt das Gegenteil statt.
kro. 5,1 Milliarden Franken: Das ist die Zahl, um die es geht, wenn über ein neues Finanzierungsmodell für die Schweizer Strasseninfrastruktur gesprochen wird. Die Diskussion ist deshalb nötig, weil das bisherige System mit der Finanzierung via Treibstoffzölle ein Auslaufmodell ist. Die Kosten für Ausbau und Erneuerung der Strasseninfrastruktur werden aufgrund des anhaltenden Bevölkerungswachstums weiter zunehmen. Gleichzeitig werden die Einnahmen aufgrund der Entwicklung in der Elektromobilität abnehmen. Diese Schere öffnet sich bereits heute. Das lässt sich auch daraus ersehen, dass die Reserven im Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) sukzessive zurückgehen und im Verlaufe der nächsten Jahre praktisch aufgebraucht sein werden.
Die Finanzströme des Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF): Die Rechnung geht schon dieses Jahr nicht mehr auf. (Quelle: Astra)
Klare Leitplanke: Kostenwahrheit
Wie der Weg hin zu einem neuen System aussehen könnte, war Thema am gemeinsamen Branchentag von Avenergy Suisse und Strasseschweiz vom Mittwoch. 26. Oktober, in Zürich. Sowohl von Strassenverbänden als auch von bürgerlichen Politikern wurden dabei klare Leitplanken gesetzt. Allen voran: Es darf kein System geben, das nicht auf einer fairen Kostenwahrheit aller Verkehrsträger basiert. Würde man dieses Prinzip schon heute anwenden, sähe die Bilanz des motorisierten Individualverkehrs (MIV) unverändert aus, jene des öffentlichen Verkehrs (Schiene, Tram und Bus) jedoch verheerend. In Zahlen: Inklusive aller effektiven Kosten – also auch externe Schäden wie Umwelt, Lärm und Unfälle sowie die Beiträge der öffentlichen Hand (Subventionen) – kostet das Auto heute 7,3 Rappen pro Kilometer, der Luftverkehr 2,5 Rappen, der Schienenverkehr 24,5 Rappen und Tram und Bus 50,1 Rappen. Das zeigte Reiner Eichenberger von der Universität Fribourg am Branchentag eindrücklich auf. Er bezeichnet die heutige Verkehrspolitik deshalb schlicht und einfach als «krank». Am Beispiel des von der Politik geförderten Veloverkehrs lasse sich das sehr gut illustrieren: Die internalisierten Kosten (inkl. Umwelt und Unfälle) eines fleischessenden Velofahrers seien höher als jene eines mit vier Personen besetzten Kleinwagens.
Kern der Diskussion, so Eichenberger, müsse in Zukunft die Kostenwahrheit sein. Damit verbunden sei auch, dass das System der Subventionen in Frage gestellt werde, weil es den Wettbewerb verzerrt. Heute bezahlt der Strassenverkehr seine Kosten im Gegensatz zum öV zu einem Grossteil selbst. Gleichzeitig finanziert er aus der Mineralölsteuer via Spezialfinanzierung Strassenverkehr (SFSV) auch einen beträchtlichen Teil des öffentlichen Verkehrs, z.B. den Bahninfrastrukturfonds oder die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene mit gegen 400 Millionen Franken. Mit anderen Worten: Das, was die Autofahrer insgesamt bezahlen, kommt nicht vollumfänglich der Strasse zugute.
Das Bundesamt für Strassen (Astra) hat vom Bundesrat den Auftrag erhalten, bereits bis Ende des laufenden Jahres ein Aussprachepapier für eine neue Finanz- bzw. Einnahmenarchitektur für die Strassenfinanzierung vorzulegen, in dem es Ansätze aufzeigen muss, wie das System der heutigen Finanzierung über die Treibstoffzölle ersetzt werden kann. Und da man das Kilowatt im Gegensatz zum Liter nicht besteuern kann, wird die neue Finanzarchitektur laut Christian Kellerhals, Abteilungsleiter Steuern und Finanzen beim Astra, auf eine kilometerabhängige Abgabe hinauslaufen.
Ungerechtigkeit nicht weiter zementieren
Und hier setzen nun Avenergy, Strasseschweiz und zahlreiche bürgerliche Politiker ein. Für sie ist klar: Ein System, das die heutige Ungerechtigkeit zwischen MIV und öV zementiert, kommt nicht in Frage, genauso wenig wie ein System, das darauf hinausläuft, als Lenkungsinstrument den motorisierten Individualverkehr einzudämmen oder gar zu verhindern. Es gelte grundsätzlich zu vermeiden, dass Instrumente wie Mobility Pricing oder gar Road Pricing die heutige Wahlfreiheit des Transportmittels einschränken, stellte Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes, klar. Schliesslich würden heute 80 Prozent der Güter über die Strasse ausgeliefert. Ausserdem müsse ein künftiges System kostenneutral eingeführt werden, heisst: «Es kann kein neues System eingeführt werden, das Bürgerinnen und Bürgern zusätzliche Kosten verursacht», so Bigler. Eine Gleichbehandlung aller Verkehrsträger sei zwingend. Verbunden damit ist, dass die von Politik und dem öffentlichen Verkehr selbst hochgehaltene Unantastbarkeit des öV beendet wird. Das einzige vertretbare Argument für Subventionen sei, wenn es darum gehe, eine Gleichbehandlung herzustellen. Faktisch finde im heutigen Finanzierungsmodell aber exakt das Gegenteil statt.
Mobility Pricing
Unter Mobility Pricing ist eine benützungsbezogene Abgabe für Infrastrukturnutzung und Dienstleistungen im motorisierten Individualverkehr (MIV) und im öV zu verstehen. Sowohl Strasseschweiz als auch Auto-Schweiz stehen der Einführung eines Mobility Pricing ablehnend gegenüber – unter anderem, weil dafür ein teurer Überwachungsapparat installiert werden muss und die Wirksamkeit auch unter Experten umstritten ist. Beide Organisationen berufen sich überdies auf die Bundesverfassung, die festhält, dass die Benützung öffentlicher Strassen gebührenfrei ist.
Für Strasseschweiz müssen eine Reihe von Grundvoraussetzungen für die Bereitschaft, über Mobility Pricing zu diskutieren gegeben sein, unter anderem:
Mobility Pricing darf nicht mit Road Pricing verwechselt werden. Road Pricing ist ein Teil von Mobility Pricing und zielt primär darauf ab, über variable Preise die Benutzung von Räumen mit grossen Verkehrsbelastungen zu steuern (oder zu verhindern).
Unter Mobility Pricing ist eine benützungsbezogene Abgabe für Infrastrukturnutzung und Dienstleistungen im motorisierten Individualverkehr (MIV) und im öV zu verstehen. Sowohl Strasseschweiz als auch Auto-Schweiz stehen der Einführung eines Mobility Pricing ablehnend gegenüber – unter anderem, weil dafür ein teurer Überwachungsapparat installiert werden muss und die Wirksamkeit auch unter Experten umstritten ist. Beide Organisationen berufen sich überdies auf die Bundesverfassung, die festhält, dass die Benützung öffentlicher Strassen gebührenfrei ist.
Für Strasseschweiz müssen eine Reihe von Grundvoraussetzungen für die Bereitschaft, über Mobility Pricing zu diskutieren gegeben sein, unter anderem:
- Die demokratische Legitimation muss gewährleistet und respektiert sein.
- Ein einzuführendes System muss bundesweit und einheitlich etabliert werden.
- Die Steuerneutralität muss gewährleistet und respektiert sein.
- Die Strasseneinnahmen müssen verfassungsgemäss dem NAF zugunsten der Finanzierung der Strasseninfrastruktur zugewiesen werden.
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