«Der Margendruck wird weiter zunehmen»

Interview mit Markus Aegerter

«Der Margendruck wird weiter zunehmen»

16. März 2021 agvs-upsa.ch – Die digitale Zukunft, Werkstattprozesse, veränderte Technologien, Verkaufskanäle und -formen: Der Bereich Branchenvertretung beschäftigt sich mit einer breiten Palette an Veränderungen im Schweizer Auto­gewerbe. Markus Aegerter, in der AGVS-Geschäftsleitung für die Branchenvertretung verantwortlich, über Pandemie-Massnahmen, Margendruck und Autohäuser, die zu Agenturen reduziert werden. 

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Unter anderem mit der digitalen Zukunft beschäftigt sich Markus Aegerter, in der AGVS-Geschäftsleitung für die Branchenvertretung verantwortlich. Fotos: AGVS-Medien und Istock. 

sco. Herr Aegerter, die Corona-Pandemie und noch mehr die bundesrätlichen Massnahmen zu ihrer Eindämmung waren das prägende Thema der letzten zwölf Monate. Wieweit hatte der Schweizer Garagist im Krisenmodus überhaupt die Freiräume, um sich mit der Zukunft zu befassen?

Markus Aegerter, AGVS-Geschäftsleitung: Sich neben dem anspruchsvollen und zeit­intensiven Tagesgeschäft noch mit Zukunftsthemen zu beschäftigen, ist in der Tat eine Herausforderung für viele Garagisten. Das Argument, dass hierfür die Zeit fehlt, höre ich ab und zu. Trotzdem stelle ich fest, dass viele unserer Mitglieder gerne bereit sind, Neues auszuprobieren – auch jetzt während einer Krisensituation. So kommen beispielsweise Angebote für Online-Terminbuchungen oder Auto-Abo-Modelle wie das von Carify gut an.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation in den Schweizer Garagenbetrieben?
Die erneute Schliessung der Showrooms bis Ende Februar war für die Garagisten ein harter Schlag! Wir müssen leider wieder einen deutlichen Einbruch der Verkaufszahlen bei Neuwagen verzeichnen, denn der erlaubte digitale Handel kann den stationären Verkauf bei weitem nicht ersetzen. Die Umsätze aus Service- und Reparaturarbeiten helfen, die Einbrüche beim Verkauf abzufedern, können diese aber nicht kompensieren. 

Viele Händler stellen eine Erosion der Margen fest. Wird sich dieser Trend auch 2021 fortsetzen?
Es wäre blauäugig davon auszugehen, dass sich die Situation hier nachhaltig verbessert. Auch die Hersteller und Importeure stehen wegen der Corona-Krise stark unter Druck. Die in der AGVS-Markenkommission vereinigten Präsidenten der Markenhändlerverbände haben in einem Workshop die grössten Herausforderungen der Branche identifiziert. Dabei wurde der weiterhin zunehmende Margendruck mit Abstand als die grösste Hürde genannt.

Neue Player im Markt wie Tesla, Nio oder Byton verzichten auf den stationären Autohandel. Auch die etablierten Hersteller versuchen vermehrt, Autos online zu verkaufen. Gemäss der Unternehmens­beratung Bain & Company werden 2025 schon 30 Prozent der Neuwagen in Europa online verkauft. Wo bleibt da der Garagist?
Tesla verfügt aktuell nur über vier Modelle mit wenigen Ausstattungsvarianten. Das macht eine Online-Bestellung einfach. Dass die herkömmlichen Autohersteller bezüglich Onlineverkauf nicht ins Hintertreffen geraten wollen, kann ich nachvollziehen. Ob die Kunden aber bereit sind, online ein Auto mit zig Modellen und Ausstattungsvarianten selbst zusammenzustellen und zu kaufen, stelle ich in Frage. Der AGVS wollte vor einem Jahr in einer Umfrage durch das Link-Institut unter anderem wissen, ob die Schweizer verschiedenster Alters- und Einkommensklassen bereit sind, online ein Auto zu konfigurieren und zu kaufen. Nur gerade 8 Prozent haben dies bejaht! Auch bei den sogenannten Millennials, denen eine grosse Online-Affinität nachgesagt wird, waren es lediglich 14 Prozent.

In der gleichen Studie schreibt Bain, dass die Autohäuser zu «Agenturen» werden, die beispielsweise nach der Anzahl der Probefahrten oder der Fahrzeugübergaben vergütet werden. Das ist wohl kein erstrebenswertes Szenario…
Agenturmodelle, Franchising, Pacht usw. Das sind in der Tat Trends, die bei einzelnen Marken vermehrt geprüft werden. Ob diese Entwicklung für die Garagisten erstrebenswert ist oder nicht, hängt vom jeweils hinterlegten Vergütungsmodell ab. Diskutiert werden zum Beispiel aktuell in Deutschland sogenannte aktivitätenbezogene Modelle, wonach jede Aktivität der Händler – also Vorabinformation, Beratung, Probefahrt usw. – nach bestimmten Kriterien vergütet wird. Wie weit so etwas fair und für den Garagisten stimmig umsetzbar ist, bleibt abzuwarten. Erste Erfahrungen sind eher zwiespältig und werfen viele Fragen auf. Dazu kommt, dass der Garagist bei den meisten dieser Modelle seine unternehmerische Freiheit mehr oder weniger einbüsst. Hier sind die Markenhändlerverbände gefordert, möglichst ideale Rahmenbedingungen auszuhandeln.

In der von Ihnen erwähnten Link-Studie geben knapp 50 Prozent der Befragten an, dass sie es sich vorstellen können, ihr Auto künftig im Abo zu nutzen. Wie kann sich der Garagist auf diese Welt vorbereiten?
Auto-Abos verzeichnen zurzeit zweistellige Wachstumsraten. Viele nutzen aktuell die Möglichkeit einer Langzeitmiete, weil sie wegen einer möglichen Ansteckungsgefahr nicht mit dem ÖV unterwegs sind, sich aber auch kein eigenes Auto anschaffen wollen. Wir gehen davon aus, dass der Trend auch nach der Krise anhalten wird und empfehlen den Mitgliedern, diese neuen Vertriebsmodelle gut zu prüfen. Der AGVS hat mit Carify, dem grössten Auto-Abo-Anbieter der Schweiz, eine für Garagisten attraktive Kooperation vereinbart. Interessierte Mitglieder wenden sich für mehr Informationen am einfachsten an ihren AGVS-Kundenberater.

Eines Ihrer wichtigen Themen sind digitale Werkstattprozesse und die damit verbundenen Effizienzsteigerungen. Wie unterstützt der AGVS die Schweizer Garagisten in diesem Bereich?
Wir sehen hier zwei Hauptaufgaben: Einerseits versuchen wir die Garagisten für derlei Themen zu sensibilisieren, indem wir die Wirksamkeit von effizienzsteigernden Massnahmen mit Hilfe digitaler Möglichkeiten immer wieder auf allen Plattformen vorstellen. Und andererseits, indem wir selbst in Zusammenarbeit mit Hochschulen, Fachspezialisten und digital affinen Garagisten neue Ideen entwickeln und vorstellen. 

Der AGVS hat in mehreren Projekten mit der Universität ­St. Gallen zusammengearbeitet – neben digitalen Werkstattprozessen auch in einem Projekt namens Garagenvision 2025. Sind weitere solcher Projekte geplant?
Ja sicher. Wir stehen in regelmässigem Kontakt mit verschiedensten Hochschulen und Bildungsinstituten in der ganzen Schweiz. Dabei stehen Studien, Umfragen oder Projektarbeiten zu verschiedensten Mobilitätsthemen im Vordergrund. Aktuell sind wir zum Beispiel im Gespräch über eine Umfrage bezüglich des digitalen Reifegrades in der Garagenbranche. 
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