Im Klassiker grün und CO2-neutral unterwegs

Fahrt mit synthetischem Treibstoff

Im Klassiker grün und CO2-neutral unterwegs

6. September 2023 agvs-upsa.ch – Die Politik drängt auf die Transformation der Mobilität zum E-Antrieb. Aber einem Veteranen deswegen das ­Verbrenner-Herz rausreissen? Für viele ein Frevel. Genau wie bei «normalen» Autos könnten synthetische Treibstoffe jedoch auch bei Oldtimern die CO2-Emissionen massiv senken. Doch vertragen Klassiker E-Fuels? Die Amag und die Empa testen es. Jürg A. Stettler


René Dörig tankt den Oldtimer für die nächste Testfahrt wieder mit E-Fuel auf. Fotos: AGVS-Medien

Die Hälfte aller Schweizerinnen und Schweizer freut sich, wenn sie Veteranen auf der Strasse sehen. Die Hälfte der Bevölkerung ist gar der Meinung, dass Oldtimer rollendes Kulturgut sind. Über 160’000 Veteranenfahrzeuge, deren Erstinverkehrsetzung vor mindestens 30 Jahren erfolgte, cruisen über unsere Strassen. Auch wenn sie durchschnittlich nur 790 Kilometer pro Jahr fahren, ist es inzwischen selbst bei Old- und Youngtimer «en vogue», sie mittels Elektroantrieb-Umrüstkits im wahrsten Sinne unter Strom zu setzen. Das Schweizer Start-up Revive Conversions zum Beispiel macht das schon. Für viele ist das aber undenkbar, denn schliesslich gehört zum Reiz dieser Klassiker auch das lustvolle Knattern eines Zweitakters oder das sonore Blubbern eines V8-Aggregats.

Wie beim gesamten Verbrenner-Fuhrpark könnten die Oldies dank synthetisch hergestellten Treibstoffen, sogenannten E-Fuels oder Synfuels, ja ebenfalls CO2-neutral unterwegs sein. Doch vertragen sich alte Technik und neue Treibstoffe auch? «Theoretisch spricht nichts dagegen, dass ältere Autos mit dem neuen Treibstoff langfristig betrieben werden können. Ohne saubere Abklärungen dazu setzt aber kaum ein Sammler das neue Benzin in den teilweise sehr teuren Fahrzeugen ein», hält Christian Bach, Leiter der Empa-Abteilung Fahrzeugantriebssysteme und Versuchsleiter, fest. Gemeinsam untersuchen die Empa und die Amag in Versuchen die Materialverträglichkeit einzelner Komponenten, die Beeinflussung des Motorenöls von Oldtimern in deren typischen sporadischen Einsatzweise sowie das Betriebs- und Abgasverhalten synthetischer Treibstoffe.


Auch mit 68’000 Kilometern auf dem Tacho und vor allem synthetischem ­Treibstoff im Tank fährt sich der Amerikaner noch hervorragend.

Oldtimer fast so klimaneutral wie E-Autos
Dino Graf, Chef der Amag-Kommunikation und für die historische Fahrzeugsammlung der Amag-Gruppe verantwortlich, ergänzt: «Synthetischer Treibstoff ist die Lösung, dass das Kulturgut Oldtimer auch in Zukunft weiterhin bewegt werden kann – fast so klimaneutral wie Elektroautos.» In einer ersten Phase wurden im Labor Material- und Verträglichkeitsprüfungen an Tankdeckeln, Dichtungen und Komponenten zwischen Tank und Einspritzung respektive Vergaser durchgeführt. So wurde geklärt, ob diese Teile mit jenen E-Fuels klarkommen, wie sie beispielsweise der Schweizer Solartreibstoffpionier Synhelion ab 2026 in industriellen Mengen herstellen will.

Nun ist die zweite Testphase gestartet, bei der in ausgewählten Fahrzeugen im Realbetrieb E-Fuels genutzt werden. «Wir haben uns für den Anfang einmal vier Fässer P1 Fuel beschafft, wie es auch schon in der Formel 1 und anderen Motorsport-Serien genutzt wird, um mit fossilfreiem Treibstoff unterwegs zu sein», erklärt René Dörig, der sich bei der Amag um klassische Fahrzeuge kümmert – ob VW Bulli, Audi Ur-Quattro, der Skoda Fabia des verstorbenen Amag-Gründers Walter Haefner oder Amerikaner aus der Zeit der Montage in Schinznach-Bad AG. Einen dieser Amis, genauer einen olivgrünen Chrysler Valiant von 1970, hat er für die Testfahrt der AGVS-Medien bereitgestellt.


Im Schaulager wartet inmitten von Old- und Youngtimern aus der Amag-­Geschichte noch ein VW Golf I von 1978 auf den nächsten Einsatz mit E-Fuel.

Ökologisch unterwegs im Strassenkreuzer
Wir nehmen im fast fünf Meter langen Klassiker Platz, drehen den Zündschlüssel – und schon springt der unter der langen Haube schlummernde 3,7-Liter-Reihensechszylinder mit seinen 125 PS an; klimaneutrales Synfuel im Tank hin oder her. Gibt es noch etwas zu beachten auf der Testfahrt? Schliesslich will man den Ami trotz seiner Patina wieder heil zurückbringen. «Nein, bislang sind noch keine besonderen Auffälligkeiten festgestellt worden», erläutert Dörig. Was tun, wenn eine Warnlampe aufleuchtet? «Wenn hier etwas leuchtet», sagt Dörig schmunzelnd, «ist es eh zu spät.»

Auf unserer CO2-neutralen Spritz- und Genusstour durch den Aargau blinkt und leuchtet gottlob nichts. Der in der Schweiz montierte Amerikaner, der daher eine Acht in der Seriennummer trägt, gleitet gediegen dahin, der Motor läuft rund, der Wagen zaubert uns bald das typische zufriedene Lächeln eines Oldtimer-Lenkers ins Gesicht. Ebenfalls typisch für den Realbetrieb bei Oldtimern: Wir bringen den Wagen nach einem kürzeren Einsatz bei schönem Wetter in die Garage zurück.

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Ab ins Grüne und das sogar mit grünem Sprit – Synfuels machen dies auch bei Oldtimern möglich.

«Wir checken genauso, ob dieser eher unregelmässige Betrieb Auswirkungen auf die einzelnen Komponenten hat, wie natürlich auch ein täglicher Einsatz bei jedem Wetter», so Dörig. Schliesslich will man sicher sein, dass moderner Treibstoff und alte Technik sich auch längerfristig vertragen. «Wir checken mit Experten der Firma Motorex zudem, ob sich das Motorenöl verändert. Dazu ziehen wir Proben.» Auch diese Ergebnisse werden detailliert ausgewertet. Zudem sollen gegen Ende Leistungs- und Abgasmessungen Aufschluss geben, ob Oldtimer-Besitzer in Zukunft mit E-Fuels sorgen- und CO2-frei unterwegs sind. Erste Ergebnisse werden in einem Jahr erwartet.
 
Amag-Oldtimer im Schaulager bewundern
Aktuell kann man im Verkehrshaus Luzern an der Jubiläumsausstellung «75 Jahre Volkswagen in der Schweiz» die Faszination für eine der Amag-Marken mit diversen Preziosen hautnahe erleben. Die Amag hat mit über 110 Fahrzeugen aber an sich noch eine viel grössere Old- und Youngtimer-­Sammlung. Darunter auch US-Modelle, welche von 1949 bis 1972 in Schinznach-Bad AG montiert wurden. Im sogenannten Schaulager macht die Amag einen Teil dieser Sammlung im Rahmen von angemeldeten Gruppenbesuchen zugänglich.
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Kommentare


Stöckli Urban 6. September 2023 - 21:00
Schade dass die AMAG AG nicht den richtigen Text : e-Fuels oder synthetische Kraftstoffe nennt. International z.B grösster Hersteller ARAMCO nennt den Kraftstoff e-Fuels . für 1 Liter ca 30Rappen Stromkosten mit Bio Solarstrom hergestellt. Da der Solarstrom in Wüsten-Gebieten produziert wird ebenso e-Fuels, ist die Zukunft ohne Erdöl gesichert. Da e-Fuels über Jahre unbedenklich gespeichert werden können , wird es wichtig sein grosse Lager über Jahre herzustellen. der Wirkungsgrad vom günstigsten Strom wird unbedeutend sein.