Praxistest
Auch Oldtimer können problemlos E-Fuel nutzen
8. April 2024 agvs-upsa.ch – Bei Neuwagen ist der E-Antrieb auf dem Vormarsch. Doch was wird aus Old und Youngtimern? Wie diese in Zukunft klimaneutral bewegt werden können, wollten Amag, Empa und Motorex wissen und haben einen Praxisversuch durchgeführt. Jürg A. Stettler
Der VW Golf I mit E-Fuels im Tank während der Leistungsmessungen bei der Empa. Foto: Empa/Christof René Schmidt
Gemäss einer Studie der Empa werden 2040 auf Schweizer Strassen immer noch rund zwei Millionen Verbrenner unterwegs sein. Mit synthetischen Treibstoffen, sogenannten Synfuels oder E-Fuels, könnten sie CO2-neutral betrieben werden und genau wie Elektroautos einen wichtigen Beitrag zur Emissionsreduktion leisten. Die Amag-Gruppe investiert schon seit Jahren in Klimaschutz und will 2040 klimaneutral sein. Mit Synhelion entwickelt und produziert der Autoimporteur Solartreibstoffe aus Sonnenkraft; seit diesem Jahr in industriellen Dimensionen. «Der Antrieb der Zukunft bei Personenwagen wird grossmehrheitlich batterieelektrisch sein», erläutert Helmut Ruhl, CEO der Amag-Gruppe. «Der Verbrennungsmotor wird aber noch viele Jahre eine wichtige Rolle in der Schweizer Mobilität spielen, nicht nur bei Oldtimern.»
Bislang war jedoch unklar, wie Oldtimer auf synthetische Treib stoffe reagieren. Um Klarheit zu schaffen, haben die Amag Classic, die Empa und Motorex einen aufwendigen Praxistest lanciert (AUTOINSIDE 09/2023 berichtete). «Auch wenn vereinzelt Oldtimer problemlos mit Synfuels betrieben wurden und Fahrzeughersteller die Freigabe für aktuelle Modellpaletten gaben, waren uns keine fundierten Studien bekannt, welche die Verwendung von Synfuels in Oldtimermotoren im Detail untersuchten», erklärt Dino Graf, der bei der Amag auch für den Bereich Classic verantwortlich ist: «Für uns war klar, dass sich die Mehrheit der Besitzer von Klassikern nicht auf Abenteuer mit unerforschtem Treibstoff einlassen würde.»
Nun wissenschaftlich erwiesen: Ab ins Grüne mit Synfuels und damit absolut nachhaltig ist auch mit Oldtimern möglich.
VW Golf I und Chrysler Valiant im Härtetest
Über ein Jahr lang wurden nun Motorenkomponenten getestet und Fahrversuche mit ausgewählten Oldtimern durchgeführt. Ergebnis: Klassiker können klimaschonend betrieben werden, denn synthetisches Benzin kann in älteren Motoren bedenkenlos verwendet werden. In der Testreihe wurden fossiler 98-Oktan-Treibstoff als Referenz und ein biosynthetisches 98-Oktan-Benzin, das aus erneuerbarem Methanol hergestellt wird, als Vergleichstreibstoff verwendet und zwar in einem VW Golf I von 1978 mit einem 1,5-Liter-Vierzylindermotor und mit einem sogar in der Schweiz montierten Chrysler Valiant von 1971 mit einem 3,7-Liter-Sechszylindermotor.
Mit den beiden Veteranen wurden umfangreiche Testfahrten durchge führt. Hinterm Lenkrad sassen für eine kurze Strecke auch die AGVS Medien, aber vor allem Mitarbeitende von der Amag Classic, welche die Testfahrzeuge gut kennen und subjektive Fahreindrücke im Vergleich zum fossilen Referenzbenzin einordnen. Mit dem Golf wurden 3369 Kilometer und mit dem Chrysler 2862 Kilometer absolviert. Spürbare Unterschiede bis auf einen leicht unterschiedlichen Abgasge ruch wurden nicht festgestellt, Kohlenmonoxid-Messungen sowie Begutachtung des Zündkerzenbildes zeigten ebenfalls keine Auffälligkeiten: E-Fuels sind oldiesicher.
Ausführliche wissenschaftliche Tests
Die Wissenschaftler setzten zudem ausgewählte Komponenten zwischen Tank und Motor dem synthetischen Benzin direkt aus, um Oberflächenveränderungen und Auflösungserscheinungen zu untersuchen. Das Resultat: An den untersuchten Dichtungen, Vergasern, Tankgebern, Treibstoffschläuchen und Kunststoffteilen wie Vergaser schwimmer, Benzinfilter oder Tankdeckel wurden keinerlei physisch, haptisch oder optisch erfassbare Veränderungen festgestellt. Auch beim bei Oldtimern meist aus Stahlblech geformten Tank zeigten sich keinerlei Korrosionserscheinungen oder andere Veränderungen an den Innenwänden.
Das Abgasverhalten wurde an einem im Vergleich zu den Oldtimer fahrzeugen zwar wesentlich moderneren, dafür aber emissionsstabileren VW Jetta untersucht. In drei aufeinanderfolgenden WLTP Abgasmessungen wurden die Abgasemissionen und der Verbrauch ermittelt. Bei den Partikelemissionen ergab sich bei der simulierten Autobahnfahrt mit E-Fuel sogar ein leichter Trend in Richtung geringerer Emissionen!
René Dörig von Amag Classic tankt den Chrysler Valiant von 1971 für die nächste Testfahrt wieder mit E-Fuel auf. Fotos: AGVS-Medien
Theorie durch Praxis bestätigt
«In der Theorie war zwar zu erwarten, dass auch klassische Fahrzeuge mit ihren alten Motoren mit Synfuels funktionieren würden. Doch manchmal hält die Praxis die eine oder andere Überraschung bereit», erklärt Christian Bach, Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme der Empa. «Wir konnten keine relevante Veränderung bei den Komponenten, der Leistung oder den Abgasemissionen feststellen. Einzig die Resultate der Öluntersuchungen machten uns anfangs etwas stutzig. Während die leichte Abnahme der Viskosität aus technischen Gründen zu erwarten war, hat der Anstieg des Blei und Eisenanteils im Motorenöl zu Beginn überrascht», gesteht der Wissenschaftler.
Oldtimer fit für klimaschonende Zukunft
Am auffälligsten war dieser Anstieg beim Chrysler Valiant. Während und nach den Versuchsfahrten wurde das für Klassiker angedachte Motorenöl deshalb von Motorex-Verantwortlichen genaustens untersucht. In weiteren Abklärungen konnte ein direkter Einfluss des E-Fuels aber ausgeschlossen werden. Der Hintergrund: Die leicht höhere Löslichkeit biosynthetischen Benzins kann jahrzehntealte Ablagerungen, die sich im Betrieb mit verbleitem Benzin ansammelten, lösen. Doch ein direkter Einfluss der E-Fuels auf die Oldie-Komponenten selbst konnte ausgeschlossen werden. Dino Graf fasst daher zufrieden zusammen: «Ich hoffe, wir können mit dem wissenschaftlichen Ver such Oldtimerfans motivieren, Synfuels für ihre Fahrzeuge zu verwenden, wenn dieses in den kommenden Jahren lieferbar sein wird.»
Der VW Golf I mit E-Fuels im Tank während der Leistungsmessungen bei der Empa. Foto: Empa/Christof René Schmidt
Gemäss einer Studie der Empa werden 2040 auf Schweizer Strassen immer noch rund zwei Millionen Verbrenner unterwegs sein. Mit synthetischen Treibstoffen, sogenannten Synfuels oder E-Fuels, könnten sie CO2-neutral betrieben werden und genau wie Elektroautos einen wichtigen Beitrag zur Emissionsreduktion leisten. Die Amag-Gruppe investiert schon seit Jahren in Klimaschutz und will 2040 klimaneutral sein. Mit Synhelion entwickelt und produziert der Autoimporteur Solartreibstoffe aus Sonnenkraft; seit diesem Jahr in industriellen Dimensionen. «Der Antrieb der Zukunft bei Personenwagen wird grossmehrheitlich batterieelektrisch sein», erläutert Helmut Ruhl, CEO der Amag-Gruppe. «Der Verbrennungsmotor wird aber noch viele Jahre eine wichtige Rolle in der Schweizer Mobilität spielen, nicht nur bei Oldtimern.»
Christian Bach, Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme der Empa.
Bislang war jedoch unklar, wie Oldtimer auf synthetische Treib stoffe reagieren. Um Klarheit zu schaffen, haben die Amag Classic, die Empa und Motorex einen aufwendigen Praxistest lanciert (AUTOINSIDE 09/2023 berichtete). «Auch wenn vereinzelt Oldtimer problemlos mit Synfuels betrieben wurden und Fahrzeughersteller die Freigabe für aktuelle Modellpaletten gaben, waren uns keine fundierten Studien bekannt, welche die Verwendung von Synfuels in Oldtimermotoren im Detail untersuchten», erklärt Dino Graf, der bei der Amag auch für den Bereich Classic verantwortlich ist: «Für uns war klar, dass sich die Mehrheit der Besitzer von Klassikern nicht auf Abenteuer mit unerforschtem Treibstoff einlassen würde.»
Nun wissenschaftlich erwiesen: Ab ins Grüne mit Synfuels und damit absolut nachhaltig ist auch mit Oldtimern möglich.
VW Golf I und Chrysler Valiant im Härtetest
Über ein Jahr lang wurden nun Motorenkomponenten getestet und Fahrversuche mit ausgewählten Oldtimern durchgeführt. Ergebnis: Klassiker können klimaschonend betrieben werden, denn synthetisches Benzin kann in älteren Motoren bedenkenlos verwendet werden. In der Testreihe wurden fossiler 98-Oktan-Treibstoff als Referenz und ein biosynthetisches 98-Oktan-Benzin, das aus erneuerbarem Methanol hergestellt wird, als Vergleichstreibstoff verwendet und zwar in einem VW Golf I von 1978 mit einem 1,5-Liter-Vierzylindermotor und mit einem sogar in der Schweiz montierten Chrysler Valiant von 1971 mit einem 3,7-Liter-Sechszylindermotor.
Mit den beiden Veteranen wurden umfangreiche Testfahrten durchge führt. Hinterm Lenkrad sassen für eine kurze Strecke auch die AGVS Medien, aber vor allem Mitarbeitende von der Amag Classic, welche die Testfahrzeuge gut kennen und subjektive Fahreindrücke im Vergleich zum fossilen Referenzbenzin einordnen. Mit dem Golf wurden 3369 Kilometer und mit dem Chrysler 2862 Kilometer absolviert. Spürbare Unterschiede bis auf einen leicht unterschiedlichen Abgasge ruch wurden nicht festgestellt, Kohlenmonoxid-Messungen sowie Begutachtung des Zündkerzenbildes zeigten ebenfalls keine Auffälligkeiten: E-Fuels sind oldiesicher.
Ausführliche wissenschaftliche Tests
Die Wissenschaftler setzten zudem ausgewählte Komponenten zwischen Tank und Motor dem synthetischen Benzin direkt aus, um Oberflächenveränderungen und Auflösungserscheinungen zu untersuchen. Das Resultat: An den untersuchten Dichtungen, Vergasern, Tankgebern, Treibstoffschläuchen und Kunststoffteilen wie Vergaser schwimmer, Benzinfilter oder Tankdeckel wurden keinerlei physisch, haptisch oder optisch erfassbare Veränderungen festgestellt. Auch beim bei Oldtimern meist aus Stahlblech geformten Tank zeigten sich keinerlei Korrosionserscheinungen oder andere Veränderungen an den Innenwänden.
Das Abgasverhalten wurde an einem im Vergleich zu den Oldtimer fahrzeugen zwar wesentlich moderneren, dafür aber emissionsstabileren VW Jetta untersucht. In drei aufeinanderfolgenden WLTP Abgasmessungen wurden die Abgasemissionen und der Verbrauch ermittelt. Bei den Partikelemissionen ergab sich bei der simulierten Autobahnfahrt mit E-Fuel sogar ein leichter Trend in Richtung geringerer Emissionen!
René Dörig von Amag Classic tankt den Chrysler Valiant von 1971 für die nächste Testfahrt wieder mit E-Fuel auf. Fotos: AGVS-Medien
Theorie durch Praxis bestätigt
«In der Theorie war zwar zu erwarten, dass auch klassische Fahrzeuge mit ihren alten Motoren mit Synfuels funktionieren würden. Doch manchmal hält die Praxis die eine oder andere Überraschung bereit», erklärt Christian Bach, Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme der Empa. «Wir konnten keine relevante Veränderung bei den Komponenten, der Leistung oder den Abgasemissionen feststellen. Einzig die Resultate der Öluntersuchungen machten uns anfangs etwas stutzig. Während die leichte Abnahme der Viskosität aus technischen Gründen zu erwarten war, hat der Anstieg des Blei und Eisenanteils im Motorenöl zu Beginn überrascht», gesteht der Wissenschaftler.
Oldtimer fit für klimaschonende Zukunft
Am auffälligsten war dieser Anstieg beim Chrysler Valiant. Während und nach den Versuchsfahrten wurde das für Klassiker angedachte Motorenöl deshalb von Motorex-Verantwortlichen genaustens untersucht. In weiteren Abklärungen konnte ein direkter Einfluss des E-Fuels aber ausgeschlossen werden. Der Hintergrund: Die leicht höhere Löslichkeit biosynthetischen Benzins kann jahrzehntealte Ablagerungen, die sich im Betrieb mit verbleitem Benzin ansammelten, lösen. Doch ein direkter Einfluss der E-Fuels auf die Oldie-Komponenten selbst konnte ausgeschlossen werden. Dino Graf fasst daher zufrieden zusammen: «Ich hoffe, wir können mit dem wissenschaftlichen Ver such Oldtimerfans motivieren, Synfuels für ihre Fahrzeuge zu verwenden, wenn dieses in den kommenden Jahren lieferbar sein wird.»
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