«Ich mache, was mich interessiert und was mir Spass macht»

Interview

«Ich mache, was mich interessiert und was mir Spass macht»

30. April 2019 autoberufe.ch – Autoberufe sind auch Frauenberufe. Im September 2018 stand Sina Bolognesi an den SwissSkills in Bern ihren Mann. Im Magazin «TecLadies» des Berufsbildungszentrums IDM in Thun äussert sich die 21-jährige Automobil-Mechatronikerin zu ihrer Berufswahl.


Liebt die Abwechslung am Arbeitsplatz: Sina Bolognesi mit Reto Rosser, Geschäftsführer der Rosser GmbH.

Frau Bolognesi, Sie arbeiten als Automobil-Mechatronikerin. Was interessiert Sie an Ihrem Beruf besonders?
Sina Bolognesi, Automobil-Mechatronikerin EFZ:
Ich mag die Abwechslung in meinem Beruf. Jeden Tag mache ich etwas anderes und suche Lösungswege, um unterschiedliche Probleme beheben zu können. Die Autobranche verändert sich stets und es gibt immer wieder neue Technologien, das interessiert mich sehr. Alles ist miteinander vernetzt. Hier gilt es, den Überblick über das System zu wahren. Aber auch die Technik der Oldtimer fasziniert mich. Früher wurden die Probleme mechanisch gelöst, heute braucht man dazu ein Steuergerät. Die schlichte Einfachheit der Autos gefällt mir.
 
Wie reagierten Ihre Eltern, Freunde und Bekannte auf Ihren Berufswunsch und Ihre spätere Berufswahl?
Ich habe mich schon immer für Autos interessiert. Ich bin da von zu Hause aus etwas «vorbelastet». Mein Vater betreibt eine Carrosserie-Spenglerei und ich schaute ihm von klein an über die Schulter. Auch in der Schule interessierten mich vor allem die Fächer Mathematik und Natur-Mensch-Mitwelt. So hat es wenige Personen in meinem Bekanntenkreis überrascht, dass ich diesen Beruf gewählt habe.
 
Können Sie uns noch etwas zum Prozess Ihrer Berufswahl sagen? Wann haben Sie spätestens gemerkt, dass ein technischer Beruf für Sie der richtige ist?
Da ich gerne kreativ bin, wollte ich zuerst etwas in diese Richtung lernen. Mir gefiel der Beruf Gestalterin Werbetechnik sehr gut. Er verbindet das Kreative mit dem Handwerklichen. Leider sind die Lehrstellenangebote eher dünn gesät und ich fand keinen Platz in der näheren Umgebung. Ich entschloss mich, ein 10. Schuljahr zu besuchen. Zu dieser Zeit hatte mein Vater die Idee, ich könnte ja bei seinem Garagistenfreund schnuppern gehen. Die Arbeit gefiel mir dann so gut, dass ich mich nach offenen Lehrstellen in dieser Branche umschaute. Bald darauf bekam ich die Stelle beim Armee Logistik Center in Thun. Dort fühlte ich mich sofort gut aufgehoben.
 
Fühlen Sie sich als Frau in Ihrem Betrieb anders behandelt oder müssen Sie überall gleich anpacken wie Ihre männlichen Berufskollegen?
Ich finde, ich werde nicht bevorteilt, weil ich eine Frau bin. Sicher hilft mir jemand, wenn etwas zu schwer ist oder wenn ich eine Schraube nicht lösen kann, aber ich helfe meinen Arbeitskollegen genauso, wenn sie Unterstützung brauchen. Inzwischen habe ich auch Wege gefunden, um mir selbst zu helfen. Zum Beispiel nehme ich einfach eine längere Ratsche, wenn ich eine Schraube nicht lösen kann.
 
Gibt es überraschte Reaktionen von Kunden und Geschäftspartnern, wenn sie in Ihrem Betrieb plötzlich einer
jungen Frau gegenüberstehen?

Manche sind etwas überrascht, aber das legt sich schnell, sobald ich beginne zu arbeiten. Ich verüble diese Reaktion auch niemandem, denn eine Frau in dieser Branche anzutreffen, ist tatsächlich nicht alltäglich. Grundsätzlich habe ich jedoch den Eindruck, dass viele Leute erfreut sind, von einer Frau bedient zu werden.
 
Mussten oder müssen Sie gegen Vorurteile ankämpfen?
Manchmal hört man schon blöde Sprüche, aber das gehört ein bisschen dazu. Da muss man einfach cool bleiben und einen Spruch zurückgeben. Ich höre oft das Vorurteil, dass Frauen in diesem Beruf schlechter seien als Männer. Sie würden sich nicht für Autos interessieren, könnten keine schweren Sachen heben, möchten ihre Hände nicht schmutzig machen und würden langsamer arbeiten. Wer mich näher kennt, weiss, dass diese Vorurteile nicht auf mich zutreffen. Was die anderen Menschen über mich sagen, ist mir egal. Ich mache, was mich interessiert und was mir Spass macht.
 
Gab es unter den Reaktionen auch solche, die sich insbesondere darauf bezogen, dass Sie als Frau eine der Besten in Ihrem Beruf sind?
Der Berufsverband hat sich riesig gefreut, dass eine Frau an den SwissSkills dabei war. Ich habe an diesem Wettbewerb jedoch nicht teilgenommen, um es den Männern zu zeigen, sondern um zu sehen, wie gut ich im schweizweiten Vergleich bin. Ich selbst fühle mich nicht besonders, weil ich eine Frau in diesem Gewerbe bin. Ich mache das, was mir Freude bereitet und ich auch gut kann. So wie meine männlichen Berufskollegen auch.
 
Möchten Sie zum Schluss noch etwas zu Ihrem Beruf oder Ihren Tätigkeiten sagen?
Spontan fällt mir Folgendes ein: In der letzten Zeit höre ich viele Leute sagen: «Heutzutage ist es kein Problem mehr einen Fehler bei Fahrzeugen zu identifizieren. Einfach den Tester einstecken und schon weiss man, was defekt ist.» Das ist leider nicht so. Der Diagnosetester ist zwar ein hilfreiches Werkzeug bei der Fehlersuche und sicher auch notwendig bei den Fahrzeugen von heute, da es so viele Steuergeräte etc. hat; mit dem Lesen des Fehlerspeichers erhält man jedoch nur einen ungefähren Hinweis, wo man mit der Suche beginnen muss. Man benötigt jedoch, wie früher auch schon, einen Schaltplan und detaillierte fahrzeugspezifische Informationen, um den Fehler finden zu können. Vieles muss man zuerst überprüfen, bevor man eine Diagnose stellen kann und das braucht Zeit und das nötige Fachwissen.
 
Was müsste Ihrer Meinung nach geändert oder verbessert werden, damit sich junge Frauen vermehrt für technische Berufe interessieren?
In der heutigen Zeit ist es allgemein schwierig, motivierte junge Leute für das Autogewerbezu finden. Viele wollen sich nicht die Hände schmutzig machen und haben lieber einen 9-to-5-Job, verdienen dabei noch mehr Lohn und bekommen den Arbeitsweg und das Mittagessen bezahlt. Ich finde unsere Arbeit wird zu wenig wertgeschätzt. Jeder will ein teures Auto leasen, aber niemand will für die Reparaturkosten aufkommen. Ich denke, dass etwas mehr Lohn gerechtfertigt wäre. Schliesslich arbeiten wir den ganzen Tag körperlich, leisten Überstunden, arbeiten samstags und haben eine anspruchsvolle vierjährige Berufslehre absolviert.
 
Im letzten Jahr haben Sie an den Schweizer Berufsmeisterschaften SwissSkills in Bern teilgenommen und waren die erste Frau, die sich im Beruf Automobil-Mechatroniker/in EFZ dafür qualifizieren konnte. Herzlichen Glückwunsch. Wie kamen Sie auf die Idee, daran teilzunehmen?
Mein Ausbildner motivierte mich zur Teilnahme. Als ich dann an der Vorausscheidung gut abschnitt, war dies ein zusätzlicher Ansporn für mich. Auch mein Berufsschullehrer und die Mitarbeitenden des AGVS-Kurszentrums Mülenen haben mich sehr unterstützt und motiviert.
 
Welche besonderen Eigenschaften und Kompetenzen muss ein SwissSkills-Champion wie Sie mitbringen?
Um an den SwissSkills brillieren zu können, muss man sich vor allem gut konzentrieren können. Es hatte viele Besucher und war sehr laut. Da muss man bei der Sache sein und wissen, was man tut. Das gelang mir teilweise, hätte jedoch noch besser sein können. Im Vorfeld wusste man nicht, welche Posten es haben würde. So musste man immer an alles denken und immer wieder neue Lösungswege finden. Schwierig war auch, dass die Posten aus vielen kleinen Aufträgen bestanden. Im Falle, dass man nicht weiter kam, war man gefordert, das Thema hinter sich zu lassen und den nächsten Auftrag anzugehen. Bis zum Schluss konnte ich nicht so richtig einschätzen, wie ich abgeschnitten habe.

(Quelle: TecLadies, IDM-Thema 1/2019)


 
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