Der Ausbau der Autobahnen löst gleich mehrere Probleme

Nationalrat sagt klar Ja!

Der Ausbau der Autobahnen löst gleich mehrere Probleme

7. Juni 2023 agvs-upsa.ch – Fünf Autobahnetappen sollen hierzulande für 5,3 Milliarden Franken ausgebaut, bestehende Nationalstrassen für weitere 8,8 Milliarden unterhalten und verbessert werden. Gut so, sagt auch AGVS-Zentralpräsident Thomas Hurter.

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Autobahnen dürften in Zukunft «auch klimafreundlich betrieben» werden, sagt Bundesrat und Umweltminister Albert Rösti. Fotos: Pixabay/AGVS-Medien

tp. Bereits am ersten Tag der diesjährigen Sommersession debattierte der Nationalrat über den Ausbau, Unterhalt und Anpassung der Nationalstrassen. Die Mehrheit des Rates befand, dass im Kampf gegen Staus auf Autobahnen ein Ausbau zwingend notwendig sei und die Kapazitätsgrenzen der wichtigsten und auch als «Rückgrat des Schweizer Strassverkehrs» bezeichneten Strassen allmählich erreicht werden. Die Medienmitteilung des Bundesamts für Strassen (ASTRA) vom gleichen Tag bestätigt die Wichtigkeit unserer Autobahnen. Die Autobahnen machen weniger als drei Prozent des gesamten Strassennetzes der Schweiz aus, absorbieren aber rund 41 Prozent des gesamten Verkehrsaufkommens.
 
Die Pläne stiessen aber, logischerweise, nicht nur auf Zustimmung. So fiel während der Debatte mehrmals die im Volksmund bekannte Wendung «Wer Strassen sät, wird Verkehr ernten». Nach dieser Denkart würde mit dem Ausbau der Nationalstrassen das Verkehrsaufkommen zunehmen und somit die Erreichung der Klimaziele des Bundes verunmöglicht werden.

Ausweichverkehr wächst schneller als der Verkehr auf den Autobahnen
Gerade in Zeiten des Wandels in der Automobilindustrie hin zu nachhaltigeren, ökologischeren Lösungen, scheint diese Devise jedoch nicht aufzugehen. So liess Bundesrat Albert Rösti, welcher den Bundesrat bei diesem Geschäft vertrat, bei der Debatte verlauten: «Weil die europäischen Hersteller allesamt daran festgehalten haben, dass sie ab 2035 und zum Teil sogar früher nur noch in Elektromobile investieren werden, dürfen wir mit Fug und Recht davon ausgehen, dass diese Strassen in dieser Zeit auch klimafreundlich betrieben werden können.» Nebst diesem Umstand sprechen auch die generell wachsende Bevölkerung und Mobilität für einen Ausbau der Autobahnen, denn diese verlieren vermehrt ihre essenzielle Funktion, nämlich den Verkehr durch die Städte und Dörfer zu entlasten. Der Ausweichverkehr nimmt aufgrund der Staus immer mehr zu und wächst schneller als der Verkehr auf den Autobahnen – diesen Effekt gilt es nun mit dem Ausbau der Autobahnen abzubremsen.
 
Die Mehrheit des Rates erkannte das markante Bedürfnis, die Autobahnen auszubauen. Mit 122 zu 67 Stimmen wurde der Ausbau der Nationalstrassen schliesslich beschlossen. Als Nächstes ist der Ständerat am Steuer: Stimmt auch die kleine Kammer der Vorlage zu, soll im Kanton Bern die A1 zwischen Wankdorf und Schönbühl auf acht und die A1 zwischen Schönbühl und Kirchberg auf sechs Spuren ausgebaut werden. Weiter würde in der Romandie auch die Autobahn zwischen Le Vengeron (GE) und Nyon (VD) auf sechs Spuren ausgebaut. Zudem entstünden neue Tunnels: Der Fäsenstaubtunnel in Schaffhausen erhält bei Annahme eine zweite Röhre, der Rosenbergtunnel (SG) eine dritte, und in Basel würde mit dem neuen Rheintunnel für den Durchgangsverkehr für Entlastung gesorgt.
 

Nachgefragt bei Thomas Hurter, Zentralpräsident AGVS

«Die Zeiten Strasse gegen Schiene sollten endlich vorbei sein»

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ysc/tp. Thomas Hurter, wieso haben Sie Ja gestimmt? Was waren für Sie die drei wichtigsten und ausschlaggebendsten Gründe, welche für den Ausbau der Autobahnen sprechen?
Thomas Hurter: Unser Nationalstrassennetz wurde in den 1960er-Jahren geplant. Nun muss es endlich fertiggestellt werden und dort, wo die Kantone Engpässe feststellen, der Verkehrsfluss verbessert werden. Unser Nationalstrassennetz entlastet das sekundäre Strassennetz. Wenn es Staus gibt, fliesst der Verkehrsfluss zurück in die Städte und Gemeinden.
Zweitens: Das Nationalstrassennetz ist die «Hauptschlagader» unseres Güterverkehrs auf der Strasse. Rund 74 Prozent des gesamten Binnenverkehrs werden über das Nationalstrassennetz abgewickelt. In den letzten 20 Jahren hat der Verkehr auf den Nationalstrassen um 130 Prozent zugenommen. Wenn wir nichts machen, werden die Staustunden – 2022 waren es insgesamt knapp 40'000, was satten 4,5 Jahren entspricht – weiter zunehmen und damit auch die volkswirtschaftlichen Kosten.
Und last but not least geht es um die Verbesserung der Sicherheit auf unserem Netz. Der grösste Teil der Finanzierung der Nationalstrassen wird für den Unterhalt, Betrieb und vor allem den Ausbau des Sicherheitsstandards gebraucht. Der kleinere Teil der Finanzierung wird für zusätzliche Ausbauten verwendet.
 
Was sagen Sie zu den Argumenten anderer Parlamentarierinnen und Parlamentarier, wonach mehr Strassen auch mehr Verkehr anziehen?
84 Prozent der gesamten zurückgelegten Personenkilometer in der Schweiz finden auf der Strasse statt, 14 Prozent stammen vom ÖV. Die Schiene bewältigt gerade einmal 14 Prozent. Wenn wir die Ausgaben der Infrastruktur aller drei Staatsebenen nehmen, wird für diese 14 Prozent eine Milliarde Franken jährlich mehr ausgegeben. Mobilität hat mit Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum zu tun. Nur gemeinsam können wir das Mobilitätsbedürfnis der Bevölkerung bewältigen. Die Zeiten Strasse gegen Schiene sollten endlich vorbei sein.

Sind die total 14,1 Milliarden Franken nicht gar viel Geld, die der Bund in die Finger nehmen würde? Wer finanziert dies? Denn sonst heisst es ja auch immer, dass unser Land sich solch hohe Ausgaben gar nicht leisten könne.
Alle Aufwendungen rund um die Nationalstrassen werden aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) bezahlt. Dieser «Topf» wird durch die Einnahmen der Autobahnvignetten, der Automobilsteuer sowie aus Teilen der Mineralölsteuer finanziert. Das Parlament wiederum steuert die Ausgaben aus dem NAF für Betrieb, Unterhalt und Ausbau der Autobahnen. Gut fünf Milliarden Franken werden für jene fünf Projekte verwendet, die die Kantone als besonders verkehrsüberlastet bezeichnet haben und bei denen die Projektierung einen genügenden Stand erreicht hat. Zirka zwei Milliarden Franken werden jährlich für den Betrieb, Unterhalt und Verbesserung der Sicherheit verwendet. Diese Ausgaben werden also vom Strassenverkehr selbst getragen, ohne den allgemeinen Bundeshaushalt zu belasten.
 
Sie haben sich im Parlament auch stark für die Umfahrung Eglisau gemacht. Ihr Minderheitsantrag wurde allerdings vom Parlament abgelehnt. Sind Sie darüber enttäuscht?
Ja, eigentlich schon. Ein Anliegen, das schon seit Jahrzehnten besteht. Die Projektierung wäre weit fortgeschritten und sowohl der Zürcher Regierungs- wie auch der Kantonsrat haben sich schon verschiedene Male für eine Umfahrung ausgesprochen. Aber anscheinend fehlt der Mut, hier vorwärtszumachen. Die Flughafenautobahn wurde schon ausgebaut, der Hardwaldanschluss ist jetzt dran und Jestetten plant eine Umfahrung. Somit wird das Nadelöhr Eglisau auf der Nord-Süd-Achse weiter verstärkt. Die Situation wird noch verschlimmert, weil die aktuelle Rheinbrücke dringend saniert werden muss. Das Parlament und die Regierung des Kantons Zürich lassen die Region Eglisau damit weiter im Stich.
 
Nach dem National- muss der Ständerat als Nächstes über das Geschäft entscheiden. Wird die Vorlage auch vom Ständerat angenommen, kann gegen den Ausbau der Autobahnen das Referendum ergriffen werden?
Ich gehe davon aus, dass diese Vorlage auch im Ständerat durchkommen wird. Einer Mehrheit wird die Verkehrssituation auf unseren Strassen bestens bekannt sein. Weiter kennen die Ständeräte die eingegebenen Projekte in den Regionen sicher sehr gut. Als Ständeräte vertreten sie ja mehrheitlich die Interessen der Kantone.
Die Chance, dass ein Referendum ergriffen werden könnte, besteht, VCS und Grüne haben ein solches jedenfalls bereits angekündigt. Aber es stellt sich nicht die Frage der einzelnen Projekte, sondern die Frage, ob man bereit ist, auch der Mobilität auf der Strasse die notwendigen finanziellen Mittel zuzugestehen. Immerhin werden über dieses Netz 85 Prozent der zurückgelegten Personenkilometer darüber abgewickelt, inklusive ÖV. Daher gibt es kein «Entweder-oder».
 
Zum Abschluss: Wie oft stehen Sie selbst genervt im Stau?
Selten, weil ich eher in Randzeiten mit dem Auto unterwegs bin. Und wenn nicht, dann nutze ich die Zeit im Auto, um mir Gedanken über die verschiedensten Dinge im Leben zu machen. 
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